Inhalt

Textbeispiel

Der Kugelsack

Ruth Schaumann zählt mit mehr als 90 Buchtiteln und einem nicht überschaubaren bildenden Werk zu den produktivsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts – „Das Arsenal“ und „Der Kugelsack“ sind ihre letzten Romane. Im „Arsenal“ erzählt sie das Leben von Cor Heynitz in den Jahren von 1899 bis 1924. „Mehrere hundert Leute baten mich flehentlich um die Fortsetzung. Es müsse noch weitergehen nach Cors Hochzeit … Am 31.1.1969 begann ich unter unsichtbarem Befehl damit unter'm Namen ,Der Kugelsack’ (von 1924 bis 1948). Und diesmal geht's in Kapiteln (wie in ,Amei’). Nur alle nicht im Laufe der Jahre hintereinander, sondern, wahllos ,für den Laien’, durcheinandergekugelt“ schreibt Ruth Schaumann in einem Brief über den „Kugelsack“. In 21 Kapiteln schildert die Autorin Szenen aus dem Leben ihrer Heldin, einer Künstlerin, Ehefrau und Mutter in den Jahren der Weimarer Zeit, des Nationalsozialismus, des Krieges und der Nachkriegszeit. Ruth Schaumann hat in Cornelie Heynitz eine Figur geschaffen, die ihr gewiss in vielen Zügen sehr ähnlich ist und doch ganz eigenständig bleibt. Denn es ist keine Autobiographie, in der sie Rechenschaft über ihr Leben abgibt bzw. ihr Werk aus der Sicht der Künstlerin erklärt, sondern ein Roman, in dem sie die Erfahrungen ihres Lebens künstlerisch verdichtet und eine Welt schafft, in der eine gehörlose Frau im Mittelpunkt steht. So reflektieren die Ereignisse, von denen im Roman die Rede ist, tatsächliche Begebenheiten und sind doch ganz und gar Fiktion. „Das Arsenal“ und „Der Kugelsack“ sind Romane, in denen sich eine Sichtweise entfaltet – einzigartig in der Literatur –, die die Welt aus der Perspektive einer Gehörlosen begreift.

Ruth Schaumann schuf neben ihrem literarischen ein bildendes Werk, in dem sie mit den unterschiedlichsten Materialien: Ton, Stein, Holz, Grafik, Malerei, Scherenschnitt, Drucktechnik und Glas arbeitete. 1932 erhielt sie den Dichterpreis der Stadt München, 1959 das Bundesverdienstkreuz, 1960 den Goldenen Kogge-Ring der Stadt Minden, 1964 den Bayrischen Verdienstorden.

Tomas Vollhaber versucht in einem Essay das riesige Werk Ruth Schaumanns als einen Entwurf zu deuten, in einem unendlichen Spiel mit Masken und Spiegeln die Gehörlosigkeit zu leugnen. Erst gegen Ende ihres Lebens findet sie den Mut, ihr Leben aus der Gehörlosigkeit heraus in einem Kunstwerk aufgehen zu lassen und so ein Werk von großer Schönheit und bleibender Bedeutung zu schaffen.

Schaumann, Ruth : Der Kugelsack. Broschur / Paperback, 280 Seiten, Signum 1999, ISBN 3-927731-70-6. EUR 16,36

Erhältlich über jede Buchhandlung. Oder bestellen Sie diesen Titel schriftlich oder telefonisch direkt beim Signum Verlag.